Der "alte Ritus" war bis 1969
der allgemein anzutreffende Ritus der heiligen Messe der katholischen
Kirche. Oft wird er auch "alte Messe" oder "tridentinische Messe" genannt.
Seine bewegte Geschichte wird im Kapitel "Missa Tridentina" ausführlich
dargestellt.
Im Jahr 1988 appellierte
S.H. Papst Johannes-Paul
II. an die Bischöfe, den Wunsch all derer zu beachten, die sich mit der
liturgischen Tradition verbunden fühlen und wo es gewünscht ist die heilige
Messe nach dem überliefertem römischen Ritus grosszügig zu gestatten.
Leider sahen sich
nicht alle Bischöfe in der Lage diesem Wunsch nachzukommen, manchmal aus
pastoralen Gründen, manchmal aber auch da einzelne Theologen die irrige
Auffassung vertreten, mit dem heute gültigen neuen Messritus des Jahres 1969
(von S.H. Papst Paul VI.) sei die Kirche auch in ihren Glaubensinhalten
reformiert worden.
Motu Proprio
S.H. Papst Benedikt XVI.
hat deshalb ein offizielles "Motu Proprio" (auf deutsch "aus eigenem Antrieb"
des hl. Vaters) erstellt. Dieses gestattet jedem Priester auch den überlieferten
römischen Ritus zu zelebrieren. Absicht ist, dem heute gebräuchlichen Ritus
seinen viel viel älteren Vorgänger als "Urmeter der Liturgie" zur Seite zu
stellen, allen Priester damit einen "Maßstab" an die Hand zu geben und allen
Gläubigen den Besuch diesen Ritus' auch in ihrer Gegend zu ermöglichen.
Auch ist es sehr im
Interesse des hl. Vaters nun weltkirchlich Rechtsklarheit zu schaffen, und damit
auch den Bischöfe ständig neue Entscheidungen aufgrund sich ändernder
Bedarfslagen zu ersparen.
Ankündigungen des kommenden
"Motu Proprio" wurden vom Vatikan seit Monaten wie ein spannender Krimi
inszeniert gestreut und insbesondere der (noch) unbekannte genaue Text des "Motu
Proprio" wird von vielen Seiten mit Spannung erwartet, zumal erkennbar ist, dass
der heilige Vater selbst die Regie in der Hand hat. Am 27. Juni hat der heilige
Vater das Motu Proprio nun den Bischöfen vorgestellt und am 7. Juli wird es der
offiziell veröffentlicht.
Viele Priester und Gläubige
freuen sich sehr darauf, die "Messe aller Zeiten" (wieder) regelmäßiger feiern
zu können (manche haben fast 40 Jahre auf diesen Zeitpunkt gewartet) und können
den Zeitpunkt der Veröffentlichung kaum abwarten. Andere erwarten mit manchen
Befürchtungen, dass mit der Zeit offen erkennbar wird, welche nachkonziliaren
Entwicklungen sehr positive Früchte getragen haben und welche "modernen"
Entwicklungen - gerade auch in der Liturgie - konträr zum katholischen Glauben
stehen.
Das Ende des
Mittelalters?
"Dieses geheimnisvolle Gewebe von Text und
Handlungen war in Jahrhunderten aus dem Glauben der Kirche gewachsen. Es trug
die Fracht der ganzen Geschichte in sich und war doch zugleich viel mehr als
Produkt menschlicher Geschichte. Jedes Jahrhundert hatte seine Spuren
eingetragen."
Joseph Kardinal Ratzinger in "Aus meinem Leben", DVA 1997 über die Missa
Tridentina
"An die Stelle der gewordenen Liturgie
hat man die gemachte Liturgie gesetzt. Man wollte nicht mehr das organische
Werden und Reifen des durch die Jahrhunderte hin Lebendigen fortführen,
sondern setzte an dessen Stelle - nach dem Muster technischer Produktion -
das Machen, das platte Produkt des Augenblicks."
Joseph Kardinal Ratzinger in "Aus meinem Leben", DVA 1997 über den
neuen Messritus
"Ich
war bestürzt über das Verbot des alten Missale, denn etwas Derartiges
hat es in der ganzen Liturgiegeschichte nie gegeben .... Das nunmehr erlassene
Verbot des Missale, das alle Jahrhunderte hindurch seit den Sakramentaren der
alten Kirche kontinuierlich gewachsen war, hat einen Bruch in die
Liturgiegeschichte getragen, dessen Folgen nur tragisch sein konnten .... Man
brach das alte Gebäude ab und baute ein anderes."
Joseph Kardinal Ratzinger in "Aus meinem Leben", DVA 1997, Seite 173
"Die
Reform der Liturgie aus dem Geist der liturgischen Bewegung bildete für die
Mehrheit der Konzilsväter keine Priorität, für sehr viele überhaupt kein Thema.
So hat zum Beispiel Kardinal Montini, der als Papst Paul VI. zum eigentlichen
Konzilspapst wurde, bei seinem Themenaufriß nach Beginn des Konzils ganz klar
gesagt, daß er hier keine wesentliche Aufgabe für dasKonzil finden könne.
Keinem der Väter wäre eingefallen, in diesem Text eine Revolution zu erblicken,
die das «Ende des Mittelalters» bedeuten würde, wie ihn inzwischen Theologen
glauben interpretieren zu sollen. Man sah dies als eine Fortführung der von Pius
X. eingeleiteten und Pius XII. behutsam, aberzielstrebig vorangetriebenen Reformen an.
Es ist in diesem
Zusammenhang nicht überraschend, daß die neugestaltete Mustermesse, die an die
Stelle des bisherigen Ordo missae treten sollte und trat (Anm.: der heutige
Messritus von 1969), von der Mehrheit der dafür zu einer Sondersynode
zusammengerufenen Väter 1967 abgelehnt worden ist."
Joseph Kardinal Ratzinger in "Aus meinem Leben", DVA 1997, Seite 103f.